Österreichs Renten, die Rente mit 70 und das merkwürdige Engagement der Qualitätsmedien.

Das österreichische Rentensystem bedroht die Pfründe der Versicherungskonzerne hierzulande.

Allzu deutlich beweist es, dass eine ausreichende Rentenhöhe, Rentenverlässlichkeit und soziale Gerechtigkeit mit einem Umverteilungssystem deutlich besser erreicht werden können als mit spekulativen und völlig unsicheren Sparanlagen auf den Finanzmärkten.

Eine Reihe von Fernsehbeiträgen und Presseartikel haben das gut dokumentiert.

Dass die mittlerweile Billionen-Euro schwere Rentenversicherungswirtschaft nicht einfach zusieht, wie ihre Profitquellen (Maschmeyer: Ölquellen) durch Fakten demontiert werden, überrascht nicht.

Es ist nur nicht so einfach, die Methoden zu erkennen, mit denen sie für eine Gegenöffentlichkeit sorgt. Ein Mittel ist dabei offensichtlich Einfluss auf die Berichterstattung der Medien zu nehmen. Zwei Beispiele:

Sonia Mikich in der Sendung „Der5Kampf“ am 4.9.2017:

Auf Sarah Wagenknechts Hinweis zu dem haushoch überlegenen österreichischen Rentensystem, eröffnet Frau Mikich mit einem „anderen Blick …“ einen krampfhaften Korrekturversuch. Das ist die einzige Stelle in der Sendung, wo die Moderation „korrigierend“ eingreift (sie muss ihre vier „Gegenargumente“ augenscheinlich von einem vorbereiteten Notizzettel ablesen). Hier die Passage:

https://youtu.be/d-sZUplEs2w

Einen Faktencheck haben die ARD-Faktenfinder auf diese Äußerungen nicht unternommen, dafür aber Sarah Wagenknecht (Der Faktencheck zur Rente in Österreich)

Es ließe sich noch vieles ergänzen (siehe auch Beitrag Österreich-Deutschland 4:0), entscheidend ist aber die Frage, warum grätscht Sonia Mikich hier derartig engagiert in die Diskussion?

Ein zweites drastisches Beispiel für die PR-Aktivität gegen das österreichische Modell:

Nikolaus Piper in der Süddeutschen Zeitung vom 15.09.2017:

„Österreichs Rente auch in Deutschland? Bloß nicht!“

Die Sätze:

„Der Preis, den die Österreicher für ihre hohen Renten zahlen, ist eine der höchsten Abgabenquoten der Welt. Zusätzlich werden sie als Steuerzahler herangezogen: 14 Prozent des Bundeshaushalts (in Deutschland 10,3 Prozent) gehen an die Pensionskasse.“

belegen auf absurde Weise die Absicht des Autors. Er hat anscheinend die Überschrift zuerst geschrieben und dann die passenden Fakten gesucht. Dabei ist ihm ein unglaublicher Lapsus unterlaufen: Er verwechselt das Bruttoinlandsprodukt mit dem Steueraufkommen der Bundesverwaltungen Österreichs und Deutschlands. In dem verlinkten SZ-Artikel vom gleichen Tag wird das sogar richtig dargestellt – an Peinlichkeit ist die Piper-Schlampigkeit kaum noch zu überbieten (Österreichs BIP: 350 Mrd. € ,Bundeshaushalt: 75 Mrd. €; Deutschlands BIP: 3.135 Mr. €,    Bundeshaushalt: 320 Mrd. €. Zwischen BIP und Bundeshaushalte liegen die Faktoren 5 bis 10, aber wo ein Wille ist…)

Wie gesagt, das sind zwei Beispiele. Wer immer in den letzten Monaten in rentenpolitischen Diskussionen das Stichwort Österreichs Renten in den Mund nahm wurde mit ähnlich relativierenden „Argumenten“ bedacht. Ausgenommen von den LINKEN von allen maßgeblichen Politikern der CDU, CSU, FDP, GRÜNE und SPD. Die mediale Begleitung war mit einigen Ausnahmen in politischen Magazinen und sporadisch in Printmedien ähnlich ausgerichtet. Es wird verzweifelt versucht, sich mit dem haushoch überlegenen Österreichischen Rentensystem nicht auseinanderzusetzen.

Kann man bei der Problemverdrängung Österreich davon ausgehen, dass die milliardenschweren Interessen der Finanzkonzerne bedient werden, ist bei der Kampagne zur Rente mit 70 offensichtlich das Unternehmerlager die treibende Kraft.

Auch hierfür zwei Beispiele, welche Ergebnisse die Beeinflussung in den Qualitätsmedien finden:

“heute”-Nachrichtensendung 8.8. 2017 – bereits die dritte „Nachricht“ (Autor: Florian Neuer):

https://youtu.be/Bu-u_zWD6Q8

Die zwei angekündigten „führenden Wirtschaftswissenschaftler“ schrumpfen zu einem Wissenschaftler, nämlich Hubertus Bardt , vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das zu 100% von den Arbeitgeberverbänden finanziert wird (das wird aber nicht einmal erwähnt).

Die Studie zur Rente mit 70 hatte das IW bereits im Mai herausgegeben und damit eine Lawine von zustimmender Berichterstattung in diversen Medien ausgelöst.

Warum die Forderungen dieser Studie jetzt nach drei Monaten ohne erkennbaren Anlass erneut an einer derartig prominenten Stelle platziert werden, müsste eigentlich kriminalistisch untersucht werden.

Eine derartig einseitige Propaganda im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat mit Journalismus nichts mehr zu tun. Es ist reine Public Relation, finanziert durch millionenfache Beitragsgebühren. Wo fängt eigentlich der Tatbestand der Veruntreuung an?

Das zweite Beispiel für PR in Sachen Rente mit 70 liefert wieder die Süddeutsche Zeitung. Der Leiter der Wirtschaftsredaktion Marc Beise wird nicht Müde die weitere Erhöhung des Renteneintrittalters zu fordern, zuletzt am 6.9.17 mit folgender Videobotschaft

„Die Rente mit 70 ist richtig und alternativlos“:

https://www.facebook.com/ihre.sz/videos/1505062319585142/

Bemerkenswert ist, dass Beise “eingesteht”, dass Gesetze für die Rente mit 70 noch Zeit haben. Warum wird es dann medial kurz vor der Wahl so hochgekocht?

Antwort: Um von den wirklichen Problemen der Altenversorgung und den wirklich erforderlichen Reformschritten abzulenken. Das “alternativlose” Interesse des Unternehmerlagers an einer Erhöhung des Renteneintrittsalters ist ernst zu nehmen – es hat zwar Zeit, aber die Diskussion darum kann nur Wasser auf den Mühlen der Rentensenkungspolitiker sein und von ihrem eigentlichen Handeln ablenken.

Bleibt die Frage, wie wird diese interessengeleitete Berichterstattung in den Medien gesteuert?

Es ist wahrscheinlich eine Gemengelage aus

  • “Überzeugungstätern” wie Marc Beise, die neoliberale Ideologie zu ihrem Programm erhoben haben,
  • Journalisten bzw. Redaktionen, die mit einschlägigen Studien und kopierfähigen Textbausteinen und Grafiken “versorgt” werden und
  • hier und da auch mit Bestechungen in den verschiedensten Variationen.

Wenn es um hunderte Milliarden € Finanzgeschäfte geht, haben die dahinterstehenden Interessensgemeinschaften unendliche Mittel für Manipulationen zur Verfügung:

Think Tanks, Spin Doctors, Lobbyisten, Lehrstühle, Vortragshonorare, Drehtür-Pöstchen, ….

 

(Reiner Heyse, 27.09.2017)

25 Kommentare

  1. Nun dieser Beitrag ist ja nun schon im Sep. veröffentlicht worden.
    Ja ist deshalb oder hat sich etwas verändert, NEIN.

    Der Koalitionsvertrag bringt uns leider keine Österreichiche Rente.
    Bedauerlicherweise denkt man in der SPD trotzdem an eine Zustimmung zur GroKo.

  2. Sorry, ein Fehler ist passiert. Es sollte heißen, Nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer sondern auch die Kluft von Rentnerinnen und Rentnern zur arbeitenden Bevölkerung. Ja und was ich gestern bei Spiegel TV gesehen habe so ist im Koalitionsvertrag zuviel von >>> wollen <<< die Rede. Also nichst vordergründige schnelle Veränderung.

  3. Ja und folgendes geschieht. Nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich wird immewr größer sondern auch die Kluft von Rentnerinnen und Rentnern. Es folgt die automatische Erhöhung der Diäten und die Lohnerhöhung von normalen Arbeitnehmern in Vollzeitbeschäftigung. Es sei ihnen gegönnt. Aber demgegenüber wird auch die Kluft oder die Schere von Obdachlosen und Rentnern immer größer.

  4. Sie sollen bloß nicht so tun, als ob sie nichts über das Östereichische System der Rentenversicherung wüssten, die von den Steuerzahlern gut gefütterten Bundestagsabgeordneten sämtlicher Parteien! Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat dazu eine ausführliche Information für die Damen und Herren Volksvertreter ausgearbeitet. Nur: lesen müßte man halt können und vor allem WOLLEN!

    So hat z.B. die Merkelpartei zum Thema Rente keinen Pieps im Wahlkampf von sich gegeben. Und nach der verlorenen, aber trotzdem gewonnnenen Wahl auch noch nicht.

    Dass Bundesdeutsche oft deutlich schlechter abgesichert sind als Österreicher, ist vielen Bürgern gut bekannt.
    Grundlagen der österreichischen Pensionsversicherung
    Deutscher Bundestag – Wissenschaftlicher Dienst- vom 4.1.2017

    https://sehrgutachten.de/bt/wd6/147-16-grundlagen-der-oesterreichischen-pensionsversicherung

    https://www.bundestag.de/blob/495540/6bb2fb0073daaf382e90a78928c3f9bf/wd-6-147-16-pdf-data.pdf

  5. Ist nur so eine Frage ? Ich habe aber keine Hoffnung, dass Ich darauf bei den wenigen Usern eine Antwort bekomme. Die frage bezieht sich darauf.

    Wenn viele deutschen Rentnerinnen und Rentner wüssten, dass ihnen vergleichbare Personen in Österreich bis zu 40 Prozent mehr Rente bekommen, dann wäre es hier sicher deutlich unruhiger. Die Österreicher haben politisch andere Weichenstellungen vorgenommen. Es gibt eine größere Beitragszahlergemeinschaft – wie übrigens in anderen Ländern wie der Schweiz auch.

    Gibt es darüber eine Schätzung, wieviele Rentner davon keine Kenntnis haben. Es ist doch anzunehmen, dass alle rentner zeitung lesen aber sich auch entsprechende Berichte im TV gesehen haben.

  6. Hallo,schade, das Es jetzt nach der Wahl sowenig Resonanz gibt. Dabei ist das thema Rente bestimmt nicht aus der Welt. Zumindestens ist es mal Interessant die Kanzlerin jetzt Demütig zu sehen nach ihrer Äüßerung nach der Wahl wo Sie Ratlos war, was Sie Verkehrt gemacht hat.

  7. Ja Herr Matti, dass wissen wir nun alles schon. Ich habe nicht die Hoffnung, dass sich daran Irgendetwas ändert. Zunächst einmal wird es nun einige Monate des Stillstands geben wo sich eine tragfähige Regierung erst mal Bilden muss. Ja und diese AFD die wird die Hoffnungen derjenigen die Sie vor allem im Osten gewählt haben auch nicht erfüllen.

  8. Warum brauchen nicht alle von allen Einnahmen also auch aus Kapitalerträge Prozentual ihren Beitrag leisten?Ganz einfach, weil man weiterhin dafür Sorge tragen will das reiche auch weiterhin reicher werden und dafür müssen die Abfällig sog. “Pleps” ärmer werden. Alleine die Beitragsbemessungsgrenzen, einzigartig im Übrigen in dieser Fom auf dieser Welt, sogen dafür, dass Arbeitseinkommen regelmäßig höher belastet werden, als Millionärs-Einnahmen.

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  11. Hallo und guten Wahlsonntag.

    Ich hoffe, dass ihr fleißig Linke wählt. Ich habs vollbracht.

    Nun ich hoffe absolut nicht, das die AFD drittstärkste Kraft wird denn diese Schaumschläger haben nix in der Birne. Es wird sowieso so in den nächsten Jahren im Bundestag willder zugehen wie das bis jetzt der Fall war. Die CDU der voraussichtliche Wahlgewinner wird sich sicherlich noch mehr von den anderen Parteien abgrenzen und gegenüber auch nur im Ansatz versuchten sozialen noch Sturer verhalten. Wir können sicher nur davon Träumen sowas ähnliches im Rentensystem zu bekommen wie in Österreich. Mal sehen heute Abend. Ja und es wird Monate dauern bis die neue Bundesregierung dann was zustande bringt.

  12. Als gebürtige Österreicherin weiß ich von vielen dort lebenden Verwandten und Freunden (alle Rentenbezieher), dass die Aussage, wonach die Durchschnittsrente dort um 800 € höher liegt als hierzulande, stimmt! Eine Freundin, die mit 53 Jahren in Rente gegangen ist, bekommt heute € 1,700.- monatlich, und das 14 Mal. Zusammen mit ihrem Mann erhalten sie monatlich € 3.700.- (beide ehemals Durchschnittsverdiener, keine Beamten).
    Da kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden!

    1. Glückliches Österreich, was damit eine Kaufkraft worhanden ist. Merwürdig, dass die hier offensichtlich nicht gewollt ist. Hoffentlich kommen die Privatisierer nicht zum Zug, und müssen ihre Pfoten aus deren Rentenversicherung lassen. Dass nämlich genau die Finanzjongleure außen vor gelassen werden, macht das System erst sicherer.

  13. Das grundsätzliche Totschweigen, das Sich-tot-stellen speziell der Oberbeamten und Obermanager, also der sog. Elite in D ist subjektiv kriminell und objektiv tragisch für die gesellschaftliche Entwicklung in D. Alle kennen das Österreichische Modell i.S. Rente und das Schweizerische Modell i.S. Krankenversicherung und wissen, dass diese Modelle gerecht und wirksam sind und großartig funktionieren. Sie, die christlichen und humanistisch gebildeten Bischöfe, Bundesrichter, Präsidenten et al., wissen wie die Winterkorns, Döpfners, MdB et al. aber ebenso, dass ihr gutes Leben nur durch schlechteres Leben und ganz schlechtes Leben der Anderen ermöglicht wird.
    Dass Einkommen von 8.000 €/Monat bis zu sehr viel mehr weder zur Rentenversicherung noch zur Krankenversorgung herangezogen werden sagt sehr viel aus über das Ethos unserer Elite.

    1. Es ist das Problem in DEU, dass nur solche Leute über die Rentenpolitik entscheiden, die selbst davon nicht betroffen sind. Deshalb fordert die Linke: Alle müssen rein ins staatliche Rentensystem. Mit der bevorstehenden Regierung wird das nicht möglich sein. Vier politisch verlorene Jahre liegen vor uns.

  14. Die Politiker sind nur noch ausführende Organe der Wirtschaftsinteressen, den Weg dazu bereiten die gleichgeschalteten öffentlichen und privaten Medien getrieben durch die Verbrecherlobby im Bundestag die den “entscheidenden” Ministern im Nachgang die guten Jobs verschafft, selbst wenn dadurch das gesamte Land vor die Hunde geht.
    Am Ende hilft dann immer noch ein Krieg oder die Währungsreform.
    Die Chicago Boys (Friemann etc.) lassen grüßen
    Wer mehr wissen will , lese Naomi Kleins Buch “Die Schock Strategie”

  15. Pingback: Rente: Das österreichische System aus deutscher Perspektive | ZWEITLESE

  16. Die Ironie an der Geschichte: Mit Kanzler Kurz und Vize Strache wird das rotweißrote Rentensystem an das deutsche angepasst werden – und nicht umgekehrt.
    Der Siegeszug der neliberalen bürgerlichen Politik – bzw. der radikalen “Mitte” – geht ungebremst weiter.

  17. Zu der österreichischen Rente mußte natürlich auch Correctiv (vor der Wahl im täglich erscheinenden Faktencheck) etwas bringen.
    Die wahren Fakten, daß es nämlich in unserem Nachbarland gerechter zugeht, sollten da wohl irgendwie verwässert werden. Was m.E. nicht gelungen ist.’

    (Anmerkung der Redaktion: es folgt der link auf die correctiv-Seite. Wir veröffentlichen grundsätzlich keine links in den Kommentaren; bei Bedarf bitte über Suchmaschine recherchieren)

  18. Pingback: Es soll ja Leute geben, die von unseren Medien immer noch etwas halten. Grotesk. Einzigartig gut kann man beim Thema Rente belegen, wie sie systematisch manipulieren. | NachDenkSeiten – Die kritische Website

  19. Wir haben es mit einem ungewöhnlichen Prozess des Totschweigens oder des Miesmachens bezüglich Österreich zu tun. Das ist umso ärgerlicher als das österreichische Rentensystem von seiner Grundkonzeption dem deutschen sehr ähnelt und sehr wohl als Vorbild dienen könnte. Wem würde seine Übertragung auf das deutsche System schaden? Den Arbeitgebern (sie müssten mit höheren Beiträgen rechnen), der Finanzwirtschaft (weniger Einnahmen durch private Vorsorge) und natürlich all jenen, die derzeit großzügig vom Staat alimentiert werden, also vor allem Beamte und Politiker.

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