Raketen statt Renten

Um im Militärjargon zu bleiben: Die Einschläge kommen näher und das Feuer wird heftiger:

„Um nennenswerte Summen (für die Aufrüstung, R.H.) zu bekommen, wird man auch an das Rentensystem herangehen müssen“ (Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), SPIEGEL 10.01.25)

„Europas größte Volkswirtschaft konzentriert sich zu sehr auf Sozialprogramme statt auf Verteidigung“(Marco Rubio, US-Außenminister, Handelsblatt, 31.01.25)

„Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten.” Zu den Rüstungsausgaben der NATO: „Ich kann Ihnen aber eins versichern: Es wird viel, viel, viel mehr sein als zwei Prozent.” (Mark Rutte, NATO-Generalsekretär, Bild am Sonntag, 2.02.25)

„Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig. Das teile ich“… „Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen.“ (Robert Habeck, Kanzlerkandidat der GRÜNEN, Handelsblatt, 3.01.25)

Auf die Frage nach Trumps 5 Prozent – Forderung und mehr: „Das halte ich für möglich und sehr wahrscheinlich…“ und das würden Sie befürworten? „Aber natürlich!“ (Alice Weidel – AfD-Kanzlerkandidatin, ZDF heute Journal, 8.01.25)

Das Soziale steht dem Kriegshaushalt im Wege! – oder doch nicht (dazu später)?

Zunächst: um welche Dimensionen geht es hier. Die folgenden Zahlen sind der aufschlussreichen GREENPEACE-Studie „Wann ist genug genug?“ entnommen. Sie sind überaus beunruhigend.

Die Militärhaushalte der NATO-Staaten betrugen 2024 zusammen 1.185 Milliarden US$, davon umfasste das Volumen der Europäer+Kananda 430 Milliarden US$. Im gleichen Jahr (dem dritten Ukraine-Kriegsjahr) betrugen die russischen Militärausgaben zwischen 160 und 170 Milliarden US$. 

Diese vielfachen Mehrausgaben der NATO-Staaten schlagen sich materiell nieder in einer enormen materiellen Überlegenheit:

(Der link zur Studie: https://www.greenpeace.de/publikationen/wann-ist-genug-genug)

Bei dieser in nahezu jeder Beziehung vorhandenen militärischen Dominanz eine Steigerung der Militäretats von 2 Prozent auf 3,5 Prozent oder gar 5 Prozent zu fordern, hat mit Verteidigungsmotiven nichts mehr zu tun.

Soll die vorhandene Überlegenheit vom drei bis achtfachen noch einmal verdoppelt werden?

Warum werden die Daten und Fakten aus dem öffentlichen Diskurs völlig rausgehalten?

Das Wort „Putin“ reicht aus, um kritische Stimmen oder auch nur Nachfragende mundtot zu machen (Orwells „1984“ beschreibt sehr gut, wie Dämonisierungen von Gegnern funktionieren – sollte Pflichtlektüre an den Schulen werden). 

Spätestens seit Carl von Clausewitz (dem Klassiker der Militärwissenschaft, *1780 – † 1830) gehen Militärs davon aus, dass Angreifer eine mindestens dreifache Überlegenheit haben müssen, um erfolgreich zu sein. Russland mit seiner vielfachen Unterlegenheit soll die NATO angreifen wollen? Das können nur diejenigen behaupten, die Fakten und Größenverhältnisse systematisch verschweigen. 

Da diese Zahlen und Fakten den verantwortlichen Politikern und Militärs (vor allem den Militär“experten“ im Sessel- und talk-show-Format) bekannt sein dürften, drängt sich die Frage auf:

Welchen Krieg meinen sie, wenn sie fordern: „Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten“ ?.

Soll Russland nicht nur wirtschaftlich „ruiniert“ (Baerbock), sondern auch militärisch unterworfen werden? Ungeheuerlich? Unzulässige Frage?

Der Irrwitz der angestrebten erdrückenden Übermacht in deutschen Zahlen:

Derzeit werden 90,1 Milliarden Euro, das sind 2,1 % des Bruttoinlandprodukts, für das Militär ausgegeben. Habecks 3,5 % würden nach aktueller Rechnung 150 Milliarden Euro erfordern. Weidels 5 % gar 215 Milliarden Euro, das ist nahezu die Hälfte des Bundeshaushalts.

Wie soll der Wahnsinn finanziert werden?

Natürlich fallen den neoliberalen Ökonomen und Politikern die Standards ein: 

  • Rentenkosten senken, durch längeres Arbeiten und kürzeren Rentenbezug.
  • Direktes und verstecktes Absenken des Rentenniveaus.
  • Umleitung von Beiträgen aus dem Umlageverfahren in die Finanzmärkte. 

Der letzte Punkt ist von großem Interesse für die Finanzkonzerne (BlackRock, ALLIANZ und Co.), er könnte aber auch die Lösung für den gierigen Militärhaushalt werden. Es gibt da Vorgänger in der deutschen Geschichte:

  • Zur Finanzierung des 1. Weltkriegs wurde das Vermögen der Rentenversicherung in Kriegsanleihen investiert – und vernichtet.
  • Zur Vorbereitung und Durchführung des 2. Weltkriegs wurde das Unwort „Kriegsanleihen“ in „Reichsanleihen“ umgetauft. Auch hier wurden die Vermögenswerte der Rentenversicherung zweckentfremdet eingesetzt – und vernichtet.

Bereits bei den Vorbereitungen zur geplanten Aktienrente, mit dem Schönwort „Generationenkapital“ etikettiert, hatte Wirtschaftsminister Habeck die Idee, den Fonds zur Finanzierung von Start-Up-Unternehmen, also als Risikokapital, zu nutzen. Das Projekt ist mit Platzen der Ampel-Regierung vorläufig gescheitert.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird eine kommende Regierung unter Kanzler Merz die kapitalmarktabhängige Rente realisieren. Die sogenannten Wirtschaftsweisen hatten der Bundesregierung schon im November 2023 vorgeschlagen, eine Abgabe von 4 % der Bruttolöhne an einen Rentenfonds einzuführen. Das ist ganz im Sinne der öffentlichen Äußerungen des BlackRock-Lobbyisten Friedrich Merz.

4 % der Bruttolöhne würden derzeit ein jährliches Fondsvolumen von rund 80 Milliarden Euro generieren. Das ist eine Größenordnung, mit der auch die exorbitanten Aufrüstungsvorhaben finanziert werden könnten. Die Vorbilder sind vorhanden, aber auch durch totales Scheitern verbrannt. Deshalb sind auch Bezeichnungen wie „Kriegsanleihen“ oder „Reichsanleihen“ nicht opportun – vielleicht wird man auf „Ertüchtigungsanleihen“ kommen.

Tatsächlich würden es Vernichtungsanleihen werden. Dabei werden die vernichteten Rentenansprüche noch das geringste Übel sein. 

Ist das Spekulation? Ja, sicher ist es das. Aber die oben zitierten größenwahnsinnigen Äußerungen und die Forderungen „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“ (Pistorius im Bundestag) und nach einem „Wechsel zu einer kriegerischen Denkweise“ (Umstellung auf „Kriegsmentalität“ – Rutte bei seiner Antrittsrede als NATO-Generalsekretär), lassen die Spekulation realistisch erscheinen. Im Dezember 2024 appellierte Rutte auch direkt an die NATO-Bürger: “Sagen Sie Ihren Banken und Pensionsfonds, dass es inakzeptabel ist, wenn sie sich weigern, in die Verteidigungsindustrie zu investieren”.

Das Undenkbare wird denkbar.

Raketen statt Renten? Das ist viel mehr als eine sozialpolitische Frage. Es geht um alles!

(Reiner Heyse, 8.02.2025)

10 Kommentare

  1. Pingback: stadtwissen.euHinweise des Tages

  2. Da werden sogar in der ARD Tageschau Falschmeldungen verbreitet, (auch andere Pressemedien), die Rentenkasse muss mit über 100 Milliarden/Jahr unterstützt werden.
    Das ist eine vorsätzliche Lüge, sie wissen es:
    Ein Blick auf die offiziellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigt, dass der Bundeszuschuss 2020 zwar 75 Mrd.€ betrug, aber für “versicherungsfremde Leistungen (VfL)” 115 Mrd. € „entnommen“ wurden.
    Das, und nicht zu hohe Renten oder zu viele Rentenempfänger führten zu einer „Deckungslücke“ von 40 Mrd. €. Summiert seit 1957 wurden so 947 Mrd.€ mehr entnommen als vom „Staat bezuschusst“!
    Was zeigen all diese Zahlen auf?
    Nicht der „Staat“ hat die Rentenkasse bezuschusst, sondern die sozialversicherungspflichtigen Beitragszahler haben den Bundeshaushalt bezuschusst!!
    …allein in dem beispielhaften Jahr 2020 rd. 40 Mrd. € zusätzliche Ausgaben aus der RV an den Bundeshaushalt!!
    Die Wirtschaft (Präsid. Dulger) jammert, Tatsache aber ist, dass weniger Menschen stetig mehr Wirtschaftsleistung erarbeitet haben. Seit den 50er Jahren. (Statist. Bundesamt).

  3. Wir sind 21 Millionen Rentner. Bei 61 Millionen Wahlberechtigten entspricht die einen Machtpotential von 35 %.Damit können wir diese ganze Bande von Rentenbetrügern zum Teufel jagen.
    Am 23. Februar haben wir die Gelegenheit dazu, indem wir einfach das Kreuz auf dem Wahlschein an der richtigen Stelle machen. So einfach ist das.

  4. Die “Rüstungstabelle ist eindeutig”, was fehlt sind nur noch die nicht unerheblichen “personellen Reserven” der Kontrahenten.

    Da geht die “Schere noch viel weiter auf” und wenn man beobachtet wie schon heute im Ukraine-Krieg der größte Mangel an Personal das Problem zum “weiterkämpfen” ist, scheint der “Durchmarsch Russlands bis nach Portugal” wohl eher “Phantastereien von Deppen oder Demagogen” entsprungen zu sein.

    Ist das schon “Volksverhetzung”, wenn alles, basierend auf Mutmaßungen, Ideologie oder Gewinnmaximierung auf Krieg getrimmt wird, und kaum mehr eine hörbare Stimme für einen alternativen Weg in der Medienblase seinen Weg findet.

    Den rund 146 Millionen russischen Einwohnern (Tendenz sinkend) stehen allein in Europa 448 Millionen Menschen gegenüber.
    Auf Grund der “angestrebten Zuwanderung aus aller Welt” dürfte sich die Bevölkerung eher erhöhen als abnehmen.

    Wer jetzt tatsächlich annimmt, Russland würde Europa angreifen und unterwerfen, hat nicht “alle Tassen im Schrank”.

    Selbst wenn es Russland in einem ersten Schritt gelingen würde überwiegend osteuropäische Gebiete zu erobern, wer soll den dort die “überfallene Bevölkerungen” unter Kontrolle halten ?
    Putin ist weder dämlich noch ein Selbstmörder.

    Der Ukraine-Krieg zeigt ja schon ganz deutlich, das Russland weder vorhat den ganzen Staat zu übernehmen, noch reichen seine militärischen, wirtschaftlichen und personellen Reserven dafür aus dauerhaft größere Gebiete auch längerfristig zu halten.

    Im übrigen ist die Ukraine in Bezug auf “alle unsere angeblichen Werte” meilenweit von unseren Vorstellungen entfernt und in Bezug auf massenhafte Korruption, Unterdrückung oppositioneller Parteien und Personen, keine freie Presse usw. usw. näher an Russland positioniert als am Westen mit seinen Werten.

    Im Kern geht es ja auch garnicht um “irgendwelche unterschiedlichen Gesellschaftssysteme, Menschenrechte oder sonstiges humanitäres “Gedöns”, es geht einzig und allein um den Zugriff auf die globalen Rohstoffreserven.

    Russland als größte Landmasse der Erde besitzt davon rund 50%,
    und ohne den zuverlässigen Zugrifff darauf gehen im kapitalistischen Westen bald die Lichter aus.

    Es geht einzig und allein darum, den “russischen Staat” zu demontieren, evtl. in einzelne Regionalregionen zu zerlegen um diese Rohstoffreserven selbst ausbeuten zu können.

    Der Ukraine-Krieg ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der “Wertewesten” überall eingreift und global Länder, Regionen und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielt
    um “leichter Beute machen zu können”.

    Über Jahrzehnte hat sich die Zusammenarbeit mit Russland gerade für uns Europäer gelohnt. Wir wurden mit billigster Energie versorgt, die gigantischen Kaufsummen flossen zum größten Teil wieder beim “Einkauf Russlands” in unsere Nationen zurück.

    Russische Bürger konnten überall in der Welt rumreisen (falls sie nicht von den USA aus welchen Gründen auch immer sanktioniert waren) Immobilien erwerben, Kinder auf unsere Unis schicken usw. usw.

    Jetzt soll mit massenhaft Krediten und massivem Sozialabbau eine völlig sinnlose und blödsinnige “Aufrüstung finanziert werden” die zukünftige Kriege nicht verhindern, sondern “hunderte Millionen Tote” produzieren wird.

    Statt alle Energie und Diplomatie darauf zu verwenden endlich eine gerechtere globale Friedensordnung mit verlässlicher Abrüstung zu schaffen, wird erst mal alles zum Feind erklärt und “zu Tode gerüstet”.

    Ist alles schon schlimm genug, erschreckender ist für mich aber,
    das mal eben aus dem Stand hunderttausende Menschen wegen Tierschutz, Genderthemen, Windräder oder auch gegen RECHTS auf die Straße gehen, aber die größte Gefahr die uns droht völlig ignorieren.

    Hochgerüstete Nationen und ständige Beschallung mit ideologischer Kriegs-Rhetorik sind der Nährboden für den nächsten Krieg, und der wird alles in den Schatten stellen was wir bisher kannten.

    Noch niemals in der Geschichte der Menschheit haben Kriege außer Leid und Zerstörung positives ausgerichtet.

    Außerdem man bewertet den wirtschaftlichen “Wiederaufbau” und deren “Profitergebnisse für Wenige” als Erfolg.

    Die Menschheit hat ein Problem. Wir “wohnen auf einer runden Kugel im Universum mit begrenzten Ressourcen” und sollten alle unsere Kraft und Energie darauf verwenden dieses Problem so zu lösen, das wir uns nicht ständig selbst gegenseitig umbringen um noch etwas länger auf einem bald ausgebeutetem Planeten zu überleben.

    Die Zukunft der Menschheit liegt in der Erschließung des nahen Weltraums. Diese Aufgabe ist eine globale Gemeinschaftsarbeit und erfordert die besten Kräfte aller Menschen aus allen Regionen der Welt, schweißt durch ein gemeinsames große Ziel zusammen und könnte eine lange Periode friedlichen Zusammenlebens ermöglichen.

    Leider verfügen wir aktuell nicht ansatzweise über “Personal” mit solchen Visionen, die dann auch noch die übergangsweise notwendige “Umverteilung von materiellen Werten und Ressourcen” für dieses übergeordnete Ziel einleiten könnten.

    Zum Schluss:

    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. Einstein

    Ich weiß nicht, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber der IV. Weltkrieg wird mit Stöcken und Steinen ausgetragen. Einstein.

  5. Solange Menschen wie z.B. der Reporter Jochen Breier und der Wirtschafts-wissenschaftler Moritz Schularick nur große Töne spucken und gar nicht wissen, dass der Bundeszuschuss in die Rentenkassen wesentlich geringer ist als das was er durch rentenfremde Leistungen rausnimmt, kann sich nichts ändern. Denn die Politiker aller Couleur laufen in eigener Unkenntnis gerne mit dem los, was ihnen von denen, von denen sie glauben, dass sie es wissen müssten, erzählt wird.
    Anstatt einfach mal zu fordern, dass alle, wie z.B. in den Alpenländern, Beamte genau wie auch Unternehmer und andere Freiberufler in die Rentenkasse einzahlen, nein da wird obendrauf noch die Mütterrente eingeführt. Ab nächstem Einstellungsdatum für Beamte könnte man sagen, dass von da an auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen müssen. Stattdessen verschweigt der Bund lieber was die Pensionsleistungen für Beamte landauf, landab kosten, was deren Gesundheitsleistungen kosten.
    Hier gehört einfach mal alles auf den Prüfstand und wenn der Bund dann endlich die rentenfremden Leistungen als gesamtgesellschaftliche Ausgabe sieht, dann muss er auch keinen fucking Cent mehr in die Rentenkasse einzahlen.

  6. Gegen wen müssen wir eigentlich kriegstüchtig sei. Sollen es die Russen sein? Oder die Amis?
    Hauptsache, es wird immer weiter die Angst geschürt.
    Als Rentner habe ich weniger Angst vor Putin als vor Pistorius.

  7. Antworten auf diese scheinbare sind vor 44 Jahren beispielsweise hier gegeben worden:

    Rüstungs- oder Sozialstaat? – Zur wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeit von Abrüstung in der BundesrepuAlrenative blik
    Huffschmid Jörg (Hrsg.)
    ISBN 10: 3760905951 / ISBN 13: 9783760905952
    Verlag: Pahl-Rugenstein, Köln, 1981

    Merkwürdig, dass hier keine konsequente Aktualisierung stattgefunden ha.

    B. Behrendt

  8. Wenn wir schon über das undenkbare sprechen kommen unsere Proteste schon nicht mehr an. Es ist höchste Zeit, das korrupte Parteiensystem auf den Müll der Geschichte zu werfen. Und zwar jetzt! Keine Stimme von mir.

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